Chronik der Mutterpfarre Weiten

 

 

 

 

Die Bedeutung der Mutterpfarre

 

 

 

Die jubilierende Pfarre Weiten, eine der großen Mutterpfarren Niederösterreichs, hat, aufgrund seiner Lage nahe der Donau, seit seiner Gründung um 1050 bis in die späteren Jahrhunderte hinein, eine große Bedeutung gehabt. Diese Rangstellung ist nicht eingegrenzt auf das Religiöse allein, sondern erstreckt sich auch in überraschendem Ausmaß auf das politische, wirtschaftliche und kulturelle Gebiet. Im Rahmen dieser Festschrift können nur in verkürzter Weise einige Beispiele für die einzelnen Bereiche erwähnt werden. Gute 950 Jahre sind es her, seit diese fruchtbare Ausstrahlung einsetzte.

 

 

Zunächst einige Bemerkungen zu den Anfängen unserer Mutterpfarre Weiten. Das Waldviertel, auch Nordwald genannt, gehörte bis zur ersten Jahrtausendwende keiner größeren politischen Einheit an. Es mußte erst langsam gerodet und kolonisiert werden. Nach der Schlacht am Lechfeld (955), wurden durch das starke Frankenreich im Südosten des Reiches eine Reihe von Marken errichtet; sie sollten die Grenze schützen bzw. vorrücken. Auch an der Donau entstand eine solche Mark, für die 996 erstmals der Name ,,Ostarrichi” überliefert ist. Diese Mark umfasste nur einen schmalen Streifen zwischen Enns und Wienerwald. Nördlich der Donau war ebenfalls nur eine schmale Zone eingegliedert. Diese nördliche Zone war aber für unser Weitener Pfarrgebiet, das damals natürlich äußerst dünn besiedelt und kirchlich kaum erfasst und organisiert war, von großer Bedeutung. Diese neue Mark Ostarrichi, die zum Bistum Passau gehörte, war Ausgangsgebiet für viele Missionare, die den christlichen Glauben auch in das südliche Waldviertel brachten.

 

 

Mit Bischof Berengar von Passau (1013 bis 1045) setzte sich diese Strukturierung in Niederösterreich durch. Mit gutem Recht dürfen wir annehmen, dass er der Gründer unserer Mutterpfarre Weiten war. Denn er schloss die Lücken im Pfarrnetz beiderseits der Donau bis nahe an Wien heran. Sein Nachfolger, Bischof Engilbert (1045 bis 1065), hat den Ostrand des Waldviertels, das Weinviertel und das Wiener Becken kirchlich aufgegliedert. Nördlich der Donau war der ganze Bereich mit Passauer Pfarren besetzt. Zunächst Petzenkirchen mit Marbach, dann Weiten, das mit der Rodung und Besiedlung rasch nach Nordwesten wuchs, und bis Bärnkopf, Martinsberg und knapp vor Ottenschlag reichte. Östlich folgte St. Michael in der Wachau und anschließend Krems.

 

 

Unsere Pfarre Weiten bekam damals eine gewaltige Aufgabe für das ganze Weiten- und Yspertal, und demnach eine immense Bedeutung. Galt es doch, in diesem riesigen und schwer zugänglichen Gebiet zunächst zu roden, zu kultivieren, Orte zu gründen, den Lebensunterhalt zu verschaffen und die Leute zu schützen. Die weltlichen Herren hatten deswegen eine Reihe von kleineren und größeren Burgen angelegt (Weitenegg, Leiben, Preisegg, Weiten, Mollenburg, Streitwiesen, Pöggstall, Wimburg, Persenbeug usw.). Diese Festungen boten Schutz vor den Feinden, waren aber auch wichtige Stützpunkte für Handwerk, Kultur, Gesellschaft und Rechtsprechung. Auch unsere Pfarrkirche, die anfangs eine Burgkirche war, wurde im 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Wehrkirchenanlage ausgebaut. Die Priester von Weiten, die damals durchwegs aus Bayern kamen (um 1400 waren es ein Pfarrer und fünf Hilfspriester), hatten es in diesem riesigen Gebiet sehr schwer. Sie ritten mit Pferden zu den entlegenen Filialen und leisteten Glaubensunterweisung und Sakramentenspendung.

 

Die Pfarre Weiten im Dienste der Politik

 

 

 

Als typisch politisches Beispiel möge Folgendes dienen:

 

Die Kirche des Spätmittelalters war wesentlich geprägt durch das weltlich-politische Geschehen. Da die Bischöfe zugleich Landesfürsten waren, mussten sie auch politische Ziele verfolgen. Durch die konkrete politische Geschichte des Bistums Passau ergaben sich auch für Weiten bedeutende Veränderungen an der rechtlichen Situation der Pfarre. In der Auseinandersetzung mit den stärker werdenden Landesfürsten musste Passau einige Rückschläge hinnehmen. Bischof Albert konnte jedoch im 14. Jahrhundert seine politische Position in unserem Raume vorübergehend verbessern. Als nämlich die Lehensherren der Burg Schönbühel ca. 1320 ausgestorben waren, war es möglich, dass dieselbe, als alter passauischer Besitz, wieder zum Stützpunkt der Passauer politischen Macht wurde. Um diese Herrschaft Schönbühel erhalten zu können, brauchte der Bischof Geld. Dazu hat sich die in der Nähe liegende Pfarre Weiten ideal angeboten. Mit den Einnahmen der Pfarrpfründe konnte die Burg Schönbühel gesichert werden. Darum war die Pfarre Weiten für den Passauer Bischof sowohl als Oberhirten, als auch als Landesfürst von entsprechendem Interesse. Diese rechtliche Lage blieb auch die folgenden Jahrzehnte bis zum Verkauf der Burg Schönbühel im Jahre 1396 an die Starhemberger. Damit erlosch auch das Interesse Passaus an der Pfarre Weiten.

 

 

 

Die Pfarre Weiten im Dienste der Wirtschaft:

 

 

 

Etwas westlich und im Einflussbereich von Passau liegt das Kollegiatstift Vilshofen. Es wurde 1376 von Heinrich Tuschl von Söldenau gestiftet. Die Stifterfamilie war aber nicht in der Lage, ihre Gründung umfassend mit Besitz auszustatten. Wegen der Armut des Stiftes erteilte Papst Bonifaz IX. die Erlaubnis, sich um Pfarren mit Pfründenbesitz umzusehen. So konnten einige Pfarren zur materiellen Aufbesserung erworben werden. Z. B. Pettenbach und Aunkirchen.

 

 

Die Pfründe der Pfarre Weiten waren um 1400 für Angehörige des höheren Klerus wieder interessant geworden. Einige bayerische Domherren waren demnach hier Pfarrer. Wegen der Bedürftigkeit des Stiftes Vilshofen stellte Bischof Leonhard von Passau dem unter seinem Schutz stehenden Stift am 30. März 1432 die Inkorporationsurkunde aus, und verschenkte somit Weiten an dieses Stift, dem besonders die Einkünfte des Weines und der Weingärten fehlten. Allerdings hat Vilshofen später die Kirche von Weiten auch reich ausgestattet mit wertvollen Altären, Schreinen, heiligen Gefäßen und dem Stiftswappen mit dem hl. Johannes d. T. Fast 400 Jahre gehörte die Pfarre Weiten zu diesem Stift - bis 1803; da wurde das Stift Vilshofen aufgelöst. Damals war Weiten auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor!

 

 

 

Die Pfarre Weiten im Dienste der Kultur und Schulbildung

 

 

 

Im 10. und 11. Jahrhundert waren noch weite Gebiete unserer Region mit Urwald bedeckt. Im Auftrag und unter der Leitung der Kirche lichteten Mönche und Kolonisten diesen Wald, um Kirchen und Häuser zu bauen, so z. B. in Münichreith. Damit leisteten sie wertvolle Kulturarbeit. Die Ortsnamen Münichreith, Rapoltenreith, Roggenreith oder Kirchschlag, Ottenschlag bzw. Neukirchen usw. erinnern an diese segensreiche Tätigkeit.

 

 

Mit der Boden- und Wohnkultur war untrennbar auch die Förderung der religiösen und schulischen Kultur verbunden. Jahrhundertelang ging jede Bildung und Forschung von den Klöstern und Kirchen aus.

 

 

So wird in Weiten um 1430 eine Schule erwähnt, für die der jeweilige Pfarrer zu sorgen hatte. Der Lehrer, der vom Pfarrer angestellt und besoldet wurde, war zugleich Messner und Organist. 1753 wurde, auf Pfarrer Thalheims Antrieb, statt des kleinen finsteren Schulhäuschens ein größeres und besseres gebaut. Dieser Pfarrer stiftete 1000 Gulden für die Schule mit dem Zwecke, dass der Schullehrer alle Kinder unentgeltlich unterrichte, einen oder zwei Knaben singen lehre und für den Stifter beim jährlichen Todestag bete. Demnach gab es in Weiten die freie Schule von 1753 bis 1828, wo ein gesetzliches Schulgeld eingeführt wurde. 1753 war somit auch der Anfang eines bescheidenen Sängerknabeninstitutes. Man brauchte ja gute Sänger, um die vielen kirchlichen Feiertage mit festlicher Chormusik zu verschönern. Dies wirkte sich natürlich für die ganze Region sehr förderlich aus.

 

 

Die Kirche hat immer großen Wert auf eine gute christliche Schule gelegt in dem Bewusstsein, dass eine solide Ausbildung auf katholischer Basis die beste Voraussetzung für ein gelungenes Leben in Familie und Gesellschaft schafft.

 

 

 

Die Pfarre Weiten im Dienste unseres katholischen Glaubens

 

 

 

Die bedeutende und angesehene Pfarre Weiten hatte bald einen entsprechenden Platz unter den Würden der Diözese Passau errungen. Bedeutende Priester waren hier tätig und wurden mit überregionalen Aufgaben betraut. So wird z. B. im Jahre 1120 der Pfarrer Heinrich von Weiten als Archidiakon (= Generalvikar) von Passau bezeichnet. Dies macht die damalige Funktion als kirchlichen und religiösen Zentralort deutlich; denn der Archidiakon hatte die Aufsicht über den Klerus und über das religiöse Geschehen eines größeren Raumes. Das 12. und 13. Jahrhundert sind geprägt vom Landesausbau, der in der Folge dazu führte, dass Weiten mehrere Tochterpfarren aus seinem Pfarrsprengel entlassen musste.

Die gewaltigen Entfernungen zur Mutterkirche waren bei diesen Straßen- und Verkehrsverhältnisen zur damaligen Zeit wirklich nicht zumutbar. So stifteten die Grundherrn eigene Kirchen mit Pfarrhöfen. Diese neuen, kleineren Gemeinschaften waren für die Förderung des Glaubenslebens entschieden besser.

 

 

 

Folgende Tochterpfarren entstanden:

 

1140   Martinsberg
1718   Artstetten
1144   Münichreith
1734   Raxendorf

1290   Pöggstall

1784   Heiligenblut
1313  Altenmarkt

1784   Neukirchen

1336   Ebersdorf

1784   Pisching
1336   Emmersdorf
1784   Pöbring

1336   Laimbach
1905   Bärnkopf
1688   Maria Laach
1957   Gutenbrunn

 




 

 

 

Im Jahre 1528 fand auch in Weiten und in seinen Filialen das Luthertum Eingang. 1580 war hier, nach einigen protestantischen Predigern, wieder ein katholischer Priester im Amt. Gemeinsam mit der katholischen Patronatsfamilie der Lindegg auf Mollenburg bemühten sich die Priester, die Bevölkerung zum alten, katholischen Glauben zurückzuführen. Sogar der Passauer Offizial, der spätere Bischof und Kardinal Melchior Klesel war einige Zeit (1577/78) auf der Mollenburg, um auch in unserer Gegend die Gegenreformation zu beschleunigen. So hatten die Bemühungen der Mutterpfarre Weiten im Dienste unseres katholischen Glaubens sicher eine große Ausstrahlung für das ganze südliche Waldviertel.

 

 

In vielfacher Hinsicht durfte Weiten den Samen des Glaubens weit ausstreuen; auch durch bedeutende Priester aus der Pfarre selber. So wurde z. B. ein Stephan Kolb aus Weiten, zunächst Benediktiner im Stift Melk, im Jahre 1479 zum Abt des Schottenstiftes in Wien berufen. Vorher waren schon zwei Angehörige der Herrschaft Streitwiesen - Konrad IV., Häusler (1295 bis 1306) und Ottokar (1324 bis 1329) - bedeutend als Äbte im Stift Melk. Ein weiterer Streitwieser war fast

 

 

 

30 Jahre Propst im Chorherrenstift Waldhausen (Oberösterreich).

 

 

 

Der letzte bekannte Priester aus Weiten war Rupert Iselstöger, geb. am 23. März 1849 in Weiten 29, als Sohn des Schulleiters Josef Iselstöger. Als gelernter Bäcker hat er als Spätberufener am 17. Juli 1881 die Priesterweihe empfangen. Er war auch Pfarrer in Pisching (1893 bis 1906) und starb als Pfarrer von Zeiselmauer am 15. Mai 1916.

 

 

Diese kurze Übersicht möge aufzeigen, dass die Mutterpfarre Weiten in vielfacher Hinsicht eine bedeutende Stellung innehatte, und dass sie den ihr gestellten Aufgaben in hohem Maße auch gerecht wurde.

 

 

Natürlich muss das Hauptverdienst für diesen ehrenvollen Rang Weitens dem Gründerbistum Passau und dem Kollegiatstift Vilshofen zugestanden werden, denn sie waren die Initiatoren und das Rückgrat aller bedeutenden Ereignisse. Mit Dank und Hochachtung gedenken wir ihres Wohlwollens und ihrer Leistungen. Wir sagen auch allen ehemaligen Seelsorgern, Patronatsherrschaften, Lehrpersonen, Wohltätern und gutgesinnten Menschen unserer Mutterpfarre für ihre Mühen und Gebete ein herzliches Vergelt's Gott!

 

 

Wir bitten um den Schutz Gottes für die jubilierende Mutterpfarre Weiten samt ihren Tochterpfarren, damit sie auch in Zukunft zur Ehre Gottes und zum Segen für ihre Gläubigen wirken können.

 

 

 

Verwendete Literatur:

 

Anton Kerschbaumer, Geschichte des Bistums St. Pölten.
Friedrich Schragl, Geschichte der Diözese St. Pölten.
Floridus Röhrig, Die Kirche in der Zeit der Babenberger.
Herbert W. Wurster, Pfarrkirche Weiten.
Geschichtliche Beilagen der Diözese St. Pölten, III. Band.
Pfarrchronik Weiten.

 

 

Als geschichtliche Grundlage zum Jubiläum ,,950 Jahre Pfarre Weiten” dient die Inschrift in der Mauer hinter dem Hochaltar der Pfarrkirche Weiten. (Vermutlich vom Jahre 1727, wo die Kirche wesentlich umgebaut wurde mit Gewölbe und Steinpflaster!)

 

Diese Inschrift lautet:

,,Haec Ecclesia parochialis / in honorem St. Stephani / et in salutem omnium / in Deum verum Credentium / divino auxilio aedificata / Ao. M. L.”

 

Das heißt übersetzt:

,,Diese Pfarrkirche ist zu Ehren des hl. Stephanus und zum Heile aller, die an den wahren Gott glauben, mit göttlicher Hilfe gebaut worden im Jahre 1050.”

 

ehem. Pfarrer GR Franz Marchart (+2010)